Ursula Hübner The World of Interiors Salzburger Kunstverein 27.5. -1 8.7.2004 Band 171, 2004, S. 390
Die künstlerische Arbeit von Ursula Hübner überrascht durch ihre kleinformatige Präsenz, die emotionale Innenräume eröffnet. Im Salzburger Kunstverein wird ein intimer Einblick in die mittlerweile 60 Bilder umfassende Serie "The World of Interiors" gegeben. Die Transformation einer fragmentarischen Existenz und einer mulitplen Identitätsstruktur ins Visuelle ist in der Serie "The World of Interiors" von Ursula Hübner ihren ProtagonistInnen auf den Leib geschrieben.
Ursula Hübners Erfahrungen als Bühnenbildnerin und ihre Zusammenarbeit mit dem Sparverein "Die Unzertrennlichen" fließen auch in ihre Bildcollagen ein. Anspielungen auf den Bühnenraum bleiben als architektonisch durchstrukturierter Raum gegenwärtig, der mit seinen ProtagonistInnen in eine intensive psychische Wechselwirkung tritt. Interessanterweise bezeichnet Ursula Hübner in ihrem Interview mit Hildegund Amanshauser ihre ProtagonistInnen als "DarstellerInnen". Damit spielt sie auf den inszenatorischen und performativen Charakter an, der die Bilder durchdringt. In der Malerei von Ursula Hübner sind es subtile Farbabstufungen, ein malerisches Grau und der Effekt von matt und glänzend, die einander gegenübergestellt werden. Auf eine silbrig grundierte Holzplatte wird Ölfarbe aufgetragen, während Collagen mit Fotopapier für Glanz sorgen. In ihrem Interview mit Hildegund Amanshauser gesteht Ursula Hübner: "Ich bin süchtig nach Farben, ich lebe ganz stark von diesem Reiz, der unsere Gefühle so stark beeinflusst...".
Nach einem Besuch im Vatikanischen Museum in Rom inspiriert von den Bildern von Fra Angelico erarbeitete Ursula Hübner eine emotionale Perspektive, die den Bühnencharakter betont. Trotz dieses Bühnencharakters inszeniert Ursula Hübner in ihren Bildern keine Handlungen, die narrative Strukturen beinhalten. Meist sind es Posen, die sie von Malern wie Goya, Vermeer, Velasquez in gegenwärtige Szenarien übersetzt oder die Posen von Medienmenschen aus MTV oder Modemagazinen wie der Vogue. Vergleichbar mit dem Setting einer Kamera fällt der Blick aus dem Bild auf ein imaginäres Objektiv. Dabei wird Kritik an den idealisierten Gesichtern und Körpern geübt, die von den Medien transportiert und bereits durch Computeranimationen künstlich hergestellt werden. Der Körper ist der Schauplatz eines Konflikts zwischen Zerstörerin und Zerstörter. Doch die Bilder von Ursula Hübner beunruhigen auch durch ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber dieser Doppelrolle. Zersplittert in Fragmente, werden die abwesenden Partien durch das Auge ergänzt. Der spezielle Collagestil, der Körperausschnitte in rauher Manier aneinander setzt, sticht dabei ins Auge.
Es fließen wiederholt Erinnerungsfragmente ein, wie in Gestalt eines Selbstporträts im Seidenkleid mit dem Ursula Hübner sich in ihrer Teenagerzeit wie jedes Mädchen in diesem Alter ihren Prinzessinnentraum erfüllte. Als sie vor wenigen Jahren für eine Performance das Kleid hervorkramte, war diesem Traum die ernüchternde Konfrontation mit dem Außenseitertum gewichen. Sowohl Material, als auch Farbe erinnern an ,Gilles' von Watteau, der das Närrische und Freigeistige verkörpert. Die räumlichen Versatzstücke werden in den neuesten Bildern von einem diffusen Licht durchdrungen, in dem die Handlungen äußerst reduziert wirken. Während die Kleidung die zweite Haut der Personen bildet, wird durch den Raum eine Hülle gestaltet, die eine unheimliche Atmosphäre erzeugt. Es entstehen Stimmungsräume durch die sich die Psyche der Figuren widerspiegelt, deren Handlungspotential zu einem Stillstand gerät.
Der Titel "The World of Interieurs" bezieht sich auf jene Innenräume, die als Metapher für psychische Zustände stehen. Wie Ursula Hübner ausführt, hat ihre Malerei mit dem Ermalen eines Themas zu tun und mit einer Welt, die auseinander zu brechen droht. Es ist ein Alleinsein, das sie in ein "All-Eins-Mit-Sich-Sein" überträgt. Erneut sind es Bilder, die stark von der eigenen Erfahrung geprägt sind. So entsteht ein erweiterter Erfahrungsraum, in den sich auch die BetrachterInnen einzufühlen vermögen. Die Strukturen, die ihre Bilder vorgeben, suggerieren starke introspektive Momente. Das Wechselspiel zwischen Präsenz und Absenz erzeugt ein Dazwischen. Wirken ihre Figuren zunächst wie die Komparsen von Filmszenen, so wird ihr Glamour-Image durch die fragmentarische Zerstückelung angekratzt. Wie eine Drehbuchautorin führt Ursula Hübner Regie und konfrontiert brutal mit einer Wirklichkeit, die das Ekel nicht scheut. Kein ersehntes Comeback der Prinzessinnen, sondern Identität und deren performative Existenz ist das Thema. In Rollen zu schlüpfen, ist mittlerweile nicht bloß SchauspielerInnen oder Theaterleuten vorbehalten, sondern manifestiert sich im alltäglichen Leben. Bereits KünstlerInnen wie Claude Cahun oder Cindy Sherman schlüpften in fiktive Charaktere und trieben so die Auflösung von gesellschaftlich aufgezwungenen Rollen voran. Die aktive Rolle, die Ursula Hübner dabei in ihren Bildern aufnimmt, setzt sich mit diesen Fragen der Identität und deren Konstruktion auseinander und veranlasst erneut dazu, über die Generierung des Subjekts nachzudenken.
Auch wenn die benutzten und dargestellten Weiblichkeitsattribute im Reich einer inszenierten Unwirklichkeit angesiedelt sind, wird die Rückbindung an real existierende Körper verlangt. Das Scheitern real zu werden und das Natürliche zu verkörpern, ist eine konstitutive Verfehlung aller Inszenierungen der Identität. Darauf beruht auch das subversive Gelächter im "Pastiche"-Effekt, jenes parodistische Verfahren, das Ursula Hübner anwendet und welches das Original, das Authentische und das Reale selbst in ihrer Wirkung als Effekt überprüft. |
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