von Ulrike Matzer
Üblicherweise bezeichnet die Formel »der Betrachter ist im Bild« (Wolfgang Kemp) den Umstand, dass bestimmte Anschauungsmuster und Betrachtungsweisen bereits im Kunstwerk vorgesehen sind und über spezielle Effekte evoziert werden. Im Fall von Ursula Hübners Ausstellung in der Linzer Landesgalerie war die Anwesenheit im Bild allerdings buchstäblich gemeint: Man konnte sich richtig gehend in einem erweiterten Erfahrungsraum von Malerei abgebildet finden. Dem programmatischen Titel entsprechend hatte Hübner ihre meist in kleinen Formaten verdichtete Bildwelt in Form einer begehbaren Installation räumlich umgesetzt. Die Innenseiten des Holzkubus waren von der nuancierten Farbwirkung her im Sinne ihrer Tafelbilder bemalt, in der Mitte standen ein Stuhl und eine Stehlampe als zwei innerhalb ihrer Ikonografie wiederkehrende Gegenstände. Einige Gucklöcher erlaubten den Blick von außen in den Raum; man konnte den Kubus auch selbst betreten, um dermaßen für andere BetrachterInnen ein Bild abzugeben bzw. von da aus auf die Hängung der Arbeiten an den Wänden zu spionieren. Dieser räumliche Eingriff bildete nicht nur den Link zum bühnenbildnerischen Werk Ursula Hübners, sondern war auch als Meta-Position im Verhältnis zu ihrem malerischen Schaffen zu verstehen.
Schon in ihren frühen großformatigen Gemälden aus den achtziger Jahren öffneten sich in den weit gehend monochromen Farbflächen winzige fensterartige Ausblicke in eine scheinbar dahinter liegende Welt. Nun stand man kleinen Bildchen gegenüber, in eben den altmeisterlich aus der Tiefe leuchtenden Farben, von denen man selbst gerade noch umgeben war. In Nahaufnahme bieten sich ausschnitthaft Einblicke in schummrige, leicht unheimlich anmutende Interieurs, die gleichzeitig eine gewisse Tröstlichkeit und Wärme ausstrahlen. Schemenhafte Privatsphären tun sich auf mit kleinen, hilfebedürftig wirkenden menschlichen Figuren; meist allein, manchmal zu zweit, nicht näher erkennbaren (und dadurch mehrdeutigen) stillen Beschäftigungen hingegeben (»Private Sphere«). Mit leisem Witz streifen die Szenen der Serie »As You« das Komische ebenso wie sie eine Verunsicherung der eigenen Rolle in Bezug auf das Gegenüber im Bild bewirken. Auf wiederum andere Weise befremdlich mutet der Collagenzyklus »The World of Interiors« an, in dem aus zerschnipselten Fotos von sich selbst und ihr nahe stehenden Menschen neu zusammengefügte Alter Egos durch den Raum tänzeln, sich selbstvergessen in Pose werfen oder schlafen. Altmodische Fauteuils und Lampen, keusche Bettchen und Stereoanlagen fehlen als Teil von Ursula Hübners persönlicher Symbolsprache genauso wenig wie eingeschaltete TV-Geräte, Bilder an den Wänden, geöffnete Türen, zurückgezogene Vorhänge und Fensterausblicke als Verweis auf ein Dahinter jenseits des Bildraums. Über die Brüche und die Lücken zwischen den Fragmenten der deformierten, disproportionalen Körper bzw. über den Bezug zwischen den Figuren und dem versatzstückartig arrangierten Mobiliar passiert nicht nur die Verschwisterung von Fotografie und Malerei; es tut sich vor allem Raum auf für introspektive Momente, für unterschiedlichste Emotionen, Erinnerungen und Geschichten, für nie auf Bühnen gespielte Stücke sozusagen.
Die Pendants dazu – Fotografien der Bühnenbilder, die sie für die legendären Antitheater-Produktionen des von Kurt Palm gegründeten »Sparverein Die Unzertrennlichen« (1990 – 2000) angefertigt hatte – waren an der Kunstuniversität Linz zu sehen, wo Hübner seit 1998 die Malereiklasse leitet. Interessanterweise wirken die Kulissen der fast ausschließlich für Off-spaces von ausgesucht schäbigem Ambiente konzipierten Stücke mehr als Bilder denn als Räume; sie sind vom Charakter her assoziationsreiche Tableaus, zusammengesetzt aus zielsicher ausgewählten, fehlfarbig bunten Secondhand-Requisiten und kleinen, persönlichen, im Grunde völlig nebensächlichen Details, von denen aus sich – ähnlich wie in den Malereien – über die Hauptsache spekulieren lässt.
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